Architects for Future begrüßen die Dialogbereitschaft der Bundesregierung. In vielen Teilen ist jedoch mehr Konsequenz und Ganzheitlichkeit notwendig, um für Klimaschutz, Ressourceneffizienz und kreislaufgerechtes sowie gesundes Bauen die gesetzlichen Rahmenbedingungen zu schaffen. Gerne kommen wir über dieses Dokument hinaus noch weiter in den Austausch, um gemeinsam die Klimaziele erreichen zu können.
JETZT handeln! Uns läuft die Zeit davon!
Es hat von 2015 bis 2020 gedauert, die Agenda 2030 in einen Entwurf für eine Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie zu überführen. Wir müssen JETZT handeln - mit ernsten, ambitionierten Maßnahmen und mit viel größerer Reichweite. Das Ziel darf nicht sein, lediglich negative Auswirkungen zu minimieren - das Ziel MUSS sein, in einem ersten Schritt keinerlei negativen Auswirkungen auf unsere Umwelt und Gesundheit zu haben und letztendlich die Bedingungen für die nachfolgenden Generationen noch zu verbessern. Effizienz alleine wird uns nicht retten - das zeigen der Anstieg der globalen Emissionen und Rebound-Effekte.
Hierfür brauchen wir tiefgreifende strukturelle Veränderungen. Alle Prozesse müssen im Hinblick auf ihre Umweltwirkungen transparent gemacht werden.
Jene, die nicht von sich aus kreislauffähig und klimaneutral sind, müssen ihre Umweltwirkungen hierzulande ohne Inanspruchnahme von Flächen im globalen Süden vollumfänglich und zu einem fairen Preis kompensieren oder, wenn sie in diesem Sinne nicht zukunftsfähig sind, abgeschafft werden. Diese Veränderung schaffen wir am schnellsten und effektivsten über Gesetze anstatt durch Responsibilisierung und einzelne Förderungen.
Ganzheitliche Nachhaltigkeit!
Hinsichtlich der Stadt- und Gebäudeplanung ist die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie noch viel zu zaghaft und es fehlt ihr in großen Teilen an Ganzheitlichkeit. Neben den in der Strategie genannten Einflüssen wirkt der Bausektor sich noch in vielen anderen Ebenen auf die Umwelt und unsere Gesundheit aus und wird maßgeblich beeinflussen, wie unsere Gesellschaft den Auswirkungen des Klimawandels standhält. Städte der Zukunft können nicht durch veraltete Bauordnungen, rein wirtschaftlich ausgerichtete Normen und hemmende Gesetze erreicht werden. Bundesweite Zusammenarbeit, freie Zugänglichkeit und Transparenz zur Vergleichbarkeit als Entscheidungsgrundlage und zur Einhaltung der Klimaziele sind hierbei von großer Bedeutung. In vielerlei Hinsicht setzt diese Strategie an diesen Punkten an, aber kommt noch viel zu kurz und hinkt anderen europäischen Ländern hinterher. Sehr viele Gesetze und Verordnungen müssen völlig neu gedacht und konzipiert werden.
Schluss mit Leuchtturm!
Die Zeit der Leuchtturmprojekte und der Grundlagen-Forschung ist vorbei! Jahrhundertelang dienten Leuchttürme der Orientierung auf rauer See. Inzwischen sind wir in der Theorie und der möglichen Umsetzung in der Baubranche aber weiter. Wir wissen, wo wir stehen und wo wir hinwollen - und müssen! Wir haben in den letzten Jahren schon einen riesigen Schatz an Erfahrungen und Erkenntnissen gesammelt. Jetzt gilt es, diese Erkenntnisse in der breiten Masse umzusetzen .
Dafür sind die Rahmenbedingungen aktuell nicht gegeben. Im Gegenteil: Nachhaltiges (Um-)Bauen im Sinne einer dekarbonisierten Kreislaufwirtschaft wird strukturell benachteiligt. Die verteilten Zuständigkeiten und Interessenkonflikte verhindern aktuell den nötigen Wandel mit der entsprechenden Dynamik. Die Bundesregierung hat die Hürden in der langfristigen Renovierungsstrategie Deutschland bereits identifiziert und muss diese schnellstmöglich abbauen. Wir brauchen schnellstmöglich eine neue Art der Gesetzgebung, die Korrekturschleifen vorsieht und sich nicht scheut, Beta-Versionen in randomisierten kontrollierten Versuchen zu testen, um Wandel zu beschleunigen, Experimentierfelder zu eröffnen und unmittelbar aus den Ergebnissen zu lernen. Es wäre denkbar, zum gleichen Thema in verschiedenen Bundesländern parallel unterschiedlichen Regelungen einzuführen - dann aber nach einer gewissen Zeit des Monitorings eine Bilanz zu ziehen, zu bewerten und das Optimierungspotential auf Bundesebene mitzunehmen. Wir brauchen ein umfangreiches Monitoring von Gebäuden - auch von unsanierten - zur Aufklärung, Erkennung und gezielten Bearbeitung der Probleme.
Da die Langfristige Renovierungsstrategie der Bundesregierung Teil der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie ist und immer wieder Querverweise genannt sind, möchten wir die Chance wahrnehmen, auch die Renovierungsstrategie zu kommentieren bzw. Zu kritisieren (siehe Dokumentende).
Wir würden es sehr begrüßen, wenn unsere Kritikpunkte aufgenommen werden und wir in den weiteren Dialog mit einbezogen werden - wohl wissend, dass viele unserer Forderungen anspruchsvolle Ziele sind, deren Verwirklichung viel Kraft und ein hohes Maß an Engagement erfordern.
Wir freuen uns über einen weiteren Dialog. Lassen Sie uns gemeinsam die Architektur für eine enkeltaugliche Zukunft gestalten!
Mit freundlichen Grüßen,
Eva Dietrich, Architektin & Gründungsmitglied und Beirätin Architects for Future Deutschland e.V. Christina Patz, Architektin & Energieeffizienzexpertin
Johanna Wörner, MSc. Architektur, Gründungsmitglied und Beirätin Architects for Future Deutschland e.V.
Judith Ottich, Architektin & Gründungsmitglied Architects for Future Deutschland e.V. stellvertretend für Architects for Future e.V.
Im Folgenden gehen wir auf konkrete Passagen aus der Dialogfassung der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie ein:
“Die Förderung von Maßnahmen der Energieeffizienz und erneuerbarer Energien im Gebäudebereich wird ab 2020 um 2 Milliarden Euro erhöht.” S.32